Erzdiözese München und Freising
Fachbereich Weltanschauungsfragen
Informationen zu Geistlichem Missbrauch
Checkliste - Einführung Checkliste - Ordensgemeinschaften Checkliste - Geistliche Bewegungen und Gemeinschaften

Checklisten

Mit dem Stichwort "Geistlicher Missbrauch" (wir bevorzugen den Begriff "Spiritueller Machtmissbrauch") versucht man Verhaltensweisen und Strukturen in kirchlich-religiösen Gemeinschaften zu beschreiben, die gar nicht oder zu wenig Würde und Freiheit des Einzelnen beachten. Je enger und geschlossener eine Gemeinschaft ist, je kleiner die Gruppe ist, desto stärker können der Einfluss Einzelner ("charismatische Führer") und die ideologischen Kräfte wirken. Eine Art Immunisierung gegen Kritik von Außen wie gegen eigene Zweifel setzt umso wirkungsvoller ein, je exklusiver die eigene Weltanschauung ist und je glühender die eigene Position verteidigt oder abweichende Meinungen sogar bekämpft werden. Je exklusiver sich eine Bewegung versteht ("wir sind die wahren Christen") und je mehr man sich von anderen abgrenzt ("bei uns soll es nicht so sein...."), desto größer sind die Gefahren, in einseitige falsche Abhängigkeiten zu geraten. Sind die Weltsicht und das Glaubensverständnis zudem dualistisch geprägt und werden damit alle Fragen des Lebens und des Glaubens in einer vereinfachenden Schwarz-Weiß - Sicht "beantwortet", sind Fehlentwicklungen praktisch vorprogrammiert. Versuche, die Mitglieder auf ihren Gehorsam zu verpflichten, ohne dass es Möglichkeiten des Gesprächs, der Abwägung und des Widerspruchs gibt, ohne dass man den Einzelfall würdigt, sind letztlich zum scheitern verurteilt: entweder weil irgendwann die Konflikte doch hervorbrechen oder weil sich die Mitglieder in einem blinden Gehorsam begeben und geistlich-psychisch verkümmern.


 

Soziologischer Merksatz“

Je kleiner die Einheit, je charismatischer die Führung, je abgeschotteter die Gruppe, desto größer ist Gefahr, dass Spiritueller Machtmissbrauch geschieht.

+ Erweiterung

Je exklusiver das Verständnis, je dogmatischer die Ideologie (Dualismus, Fundamentalismus) desto eher geschieht Missbrauch.


 

Gerade junge, noch wenig institutionalisierte Gemeinschaften, die stark von einer Aufbruchstimmung leben, müssten sich sorgfältig wappnen gegen unverhältnismäßige Ausnutzung: wenn nur der Augenblick zählt, gibt man bereitwillig alles für die "gute Sache" und die Gemeinschaft (Geld, Zeit, Aufmerksamkeit, Kraft und Energie). Dadurch drohen Kontaktabbruch zu Familie und Freundeskreis ("das alte Leben"), ungesunde Selbstaufgabe ("mein altes Ego muss sterben") und physische Erschöpfung sowie psychischer Burnout.

Umsicht ist bei Bekehrungserlebnissen wichtig, wenn der "neue" Glaube zugleich jeden kritischen Einwand durch fromme Glaubenssätze und idealistische Sichtweisen immunisiert. Hier gilt es besonders Mut und menschliche Reife zu beweisen, weil Zweifel und kritische Fragen nicht zuallererst Zumutung als vielmehr wichtiger Fingerzeig auf Bedürfnisse Einzelner oder einer ganzen Gemeinschaft sein könnten.

„Das Heil ist nur bei uns zu finden!“
„Für die Wahrheit lohnt es sich zu leiden!“
„Das machst du selbstverständlich für eine größere Sache!“
„Kritiker haben nicht verstanden – ihnen fehlt die Erleuchtung!“


Die nachfolgenden Checklisten möchte präventiv Fragen stellen und Kriterien an die Hand geben, um die speziellen religiös-kirchlichen Strukturen und ideologischen Überzeugungen dahingehend zu hinterfragen, wieweit sie frei sind von (spirituell verbrämter) Manipulation oder gar Gewalt.

Ohne spirituelle Aufbrüche, Orden und ordensähnliche Gemeinschaften sowie charismatische Angebote kann Kirche nicht existieren, wird Christsein tönern und leer. Die Kirchengeschichte gibt Zeugnis davon, wie wichtig die vielfältigen Aufbrüche und geistlichen Angebote für die lebendige Weitergabe der Frohen Botschaft sind. Sie sind Impulse der Zukunft, Korrektive und Alternativen. 

Dennoch darf nicht darüber hinweggesehen werden: Wo Menschen sind, da menschelt es. Auch wenn man die gleichen Ziele verfolgt, vereint an einer besseren, d.h. humaneren Welt arbeitet, sind doch die Ansichten und Vorlieben unterschiedlich. Deshalb ist es gut, wenn man sich immer wieder prüfend hinterfragt.

Diese Checklisten wollen also sensibilisieren. Weil Übergriffe (zunächst) oft nicht unmittelbar erkennbar sind sondern vielmehr schleichend und unspektakulär geschehen, ist es wichtig, ein Gespür für so manche Gratwanderung zu bekommen, auf die man sich zwangsläufig begibt.

Nichts und niemand soll durch die Fragen und Kriterien ungerechtfertigt verdächtigt werden. Im Gegenteil: viele christlich-kirchliche Gemeinschaft sind wichtig für Kirche und Gesellschaft, erfüllen Tag für Tag wichtige Aufgaben und sind Orte, an denen Menschen sich wohlfühlen, sich entfalten und Kraft tanken können!

Checkliste 1: Ordensgemeinschaften

Checkliste 2: Neue Geistliche Bewegungen und Gemeinschaften